Statement der ZIF Autonomer FrauenhÀuser zu den Morden in Hanau
25. Februar 2020FrauenhÀuser in Zeiten der Corona-Pandemie
19. MĂ€rz 2020
Am Weltfrauentag und an jedem anderen Tag: Es ist und bleibt unser Ziel, die Gewalt an Frauen und deren Kindern aktiv zu bekÀmpfen!
Laut Informationen des BKA versucht in Deutschland jeden Tag ein Mann seine (Ex-) Partnerin zu töten. Im Jahr 2018 wurde statistisch betrachtet jeden dritten Tag eine Frau getötet â insgesamt 123 Frauen. Es ist höchste Zeit, dass sich sĂ€mtliche Teile der Gesellschaft ihrer Verantwortung stellen und ihren Beitrag zur PrĂ€vention von Frauenmorden leisten.
Wir Autonome FrauenhĂ€user arbeiten bewusst mit dem Begriff Femizid. Er ist fĂŒr uns ein politischer Begriff und eben viel mehr als nur eine Begrifflichkeit. Femizid ist die Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist. Und dem Begriff immanent ist, der gesellschaftliche Zusammenhang in dem die Tötung passiert. Ein Femizid ist untrennbar mit den patriarchalen gesellschaftlichen Strukturen und Ursachen verbunden. Er hat System und ist Produkt eines gesellschaftlichen Ganzen.
Die erste Reaktion auf einen Femizid ist zumeist Betroffenheit und das GefĂŒhl der Machtlosigkeit. Es folgt die groĂe Herausforderung nicht in der Ohnmacht zu verharren, sondern die Betroffenheit in Entschlossenheit und Mut zu verwandeln. Denn wenn wir die dahinterliegenden Strukturen anerkennen und gezielt verĂ€ndern, können Femizide verhindert werden.
Da ist zum einen die besondere Verantwortung von Vertreter*innen der Medien. Es ist von groĂer Bedeutung, wie ĂŒber Femizide berichtet wird. Die Gewalt bzw. der Mord muss als solcher benannt werden. Zu vermeiden sind unbedingt Begriffe und Formulierungen, die verharmlosen und bagatellisieren. Ebenso sind (Teil-) Schuldzuweisungen an die Betroffenen und deren UnterstĂŒtzer*innen (wie FrauenhĂ€user oder Beratungsstellen) dringend zu unterlassen. Die Relevanz dieser Forderung wurde uns im November letzten Jahres dramatisch bewusst, als eine Bewohnerin des Limburger Frauenhauses ermordet wurde. Im Zuge der gesellschaftlichen Verkennung als vereinzelte Tragödien werden die Frauen zu Schuldigen an ihren eigenen Schicksalen. Nicht die TĂ€ter, vornehmlich MĂ€nner, werden als TĂ€ter benannt; stattdessen werden die Biografie und das konkrete Verhalten der Frau herangezogen, um die Ăbergriffe zu begrĂŒnden und letztlich zu rechtfertigen.
Des Weiteren mĂŒssen Schutz- und Hilfsstrukturen, wie z.B. FrauenhĂ€user und Beratungsstellen vor allem finanziell aber auch strukturell so ausgestattet sein, dass sie ihrem Schutzauftrag wirklich gerecht werden können. Daher fordern wir:
Zugang zum Frauenhaus ermöglichen:
- Es mĂŒssen mehr FrauenhausplĂ€tze geschaffen werden
- Die Aufnahme gewaltbetroffener Frauen (und ihrer Kinder) muss rund um die Uhr möglich sein
- Es braucht eine pauschale, verlÀssliche und einzelfallunabhÀngige Frauenhausfinanzierung
- Der barrierefreie Ausbau muss flÀchendeckend finanziert werden
- Sowohl Wohnsitzauflagen als auch Ehebestandszeit fĂŒr geflĂŒchtete Frauen und Migrantinnen
mĂŒssen bei Partnerschaftsgewalt auĂer Kraft gesetzt werden
Unstrittig ist, dass Trennung, Scheidung und Sorge- Umgangsrechtsverfahren Hochrisikofaktoren fĂŒr
Tötungen darstellen. Daraus folgt:
- Gewaltschutz, Kinderschutz und Strafrecht mĂŒssen synchronisiert werden
- Es braucht einen differenzierten Blick auf Kindeswohl und Kindeswille aller beteiligten
Institutionen
- Alle relevanten Berufsgruppen mĂŒssen fortgebildet und sensibilisiert werden bzgl der Thematik
Partnerschaftsgewalt
- Der Fokus muss auf die VerantwortungsĂŒbernahme des Vaters fĂŒr sein gewalttĂ€tiges Verhalten
gerichtet werden
- Die Einbindung des Artikels 31 Istanbul Konvention (Sorgerecht, Besuchsrecht und Sicherheit) in
Entscheidungen des Familiengerichtes, als maĂgebende Grundlage verantwortlichen Handelns
gegenĂŒber gewaltbetroffenen Frauen und deren Kindern, ist unumgĂ€nglich
- In Sorge- und Umgangsrechtsverfahren mĂŒssen der Schutz von Mutter und Kindern Vorrang
haben
- Der Ausbau von Forschung in diesem Bereich ist zu finanzieren
- Kinder mĂŒssen als (Mit-) Betroffene von Femiziden in der polizeilichen Kriminalstatistik erfasst
werden
Die geplante Sorgerechtsreform des Bundesjustizministeriums lÀsst die Perspektive gewaltbetroffener
Frauen und deren Kinder weitestgehend auĂer Acht. Die Ende Oktober 2019 veröffentlichten âThesen
der Expert*innenâ enthalten u.a. den Vorschlag, dass das Sorgerecht nicht mehr entzogen werden kann.
Dies berĂŒcksichtigt weder die Gewaltdynamiken, noch die gravierenden Auswirkungen, mit denen von
Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder oft Jahre, manche ihr Leben lang umgehen mĂŒssen.
Es ist und bleibt unser Ziel, die Gewalt an Frauen und deren Kindern aktiv zu bekÀmpfen!
Es ist und bleibt die (Mit-) Verantwortung von Politik und Gesellschaft, diese Formen von Gewalt - bis
hin zur Ermordung betroffener Frauen - wahrzunehmen und sich aktiv fĂŒr einen umfassenden Schutz
von Frauen und Kinder einzusetzen.
Denn: Frauenschutz ist Kinderschutz!